„Wenn die Gesellschaft aus den Fugen gerät ...“
Impulse aus der Sozialethik der Kirche
Das Thema beim ersten Kirchencafé im März 2009 fand aus aktuellem Anlass erwar-tungsgemäß besonders großes Interesse. Veranstalter war das Dachauer Forum in Kooperation mit der KAB. Pfarrer Charles Borg-Manché, Diözesanpräses der KAB, hatte schon in seiner Predigt erschreckende Defizite in der gegenwärtigen sozialen Bilanz angesprochen. Mehr als die Hälfte aller Deutschen hat keinerlei Vermögen, dagegen verfügen die reichsten 10% der Bevölkerung über mehr als zwei Drittel des gesamten Volksvermögens. In unserer reichen Ge-sellschaft leben 2,5 Millionen Minderjähriger in Armut. Fast 7,5 Millionen Bürgerinnen und Bürger sind auf die mageren Leistungen des ALG II angewiesen, darunter gibt es 1,3 Millionen Arbeitnehmer, die von ihrer Erwerbstätigkeit nicht leben können, weil sie nur Hungerlöhne erhalten. Die Leihar-beitnehmer stehen ohne soziale Absiche-rung da; ihre Zahl hat sich innerhalb der letzten 15 Jahre versiebenfacht auf ca. 800.000 Beschäftigte. Die Politik begünstigt noch solche Fehlentwicklungen: Jeder Einkommensmillionär zahlt heute jährlich umgerechnet 100.000 Euro weniger Steuern als vor zehn Jahren.
Die katholische Soziallehre speist sich aus vier Quellen, nämlich
Die praktische Realisierung der Soziallehre folgt vier Prinzipien. Erste Leitlinie der Soziallehre muss immer „Personalität“ sein. Im Mittelpunkt steht der Mensch. Gott hat den Menschen nicht nur nach seinem Ebenbild geschaffen, sondern auch als das ihm, Gott, entsprechende Gegenüber. Vor Gott behält jeder Mensch seine Würde – egal, was er tut, was er leistet, wie er sich verhält. Der Wert des Menschen liegt in ihm selbst, nicht in seinem Besitz. Zweiter Grundsatz ist die „Subsidiarität“. Nicht mit Vorschriften vom Staat sollen die Menschen gegängelt werden. Der Staat, die Gesellschaft soll vor allem Hilfe zur Selbsthilfe geben. Der Grundsatz „Solidarität“ heißt: Wir sind als Menschen Töchter und Söhne Gottes und damit Schwestern und Brüder und haben Verantwortung füreinander. Die Gemeinschaft soll darauf hinarbeiten, den Einzelnen zur Eigenverantwortung zu befähigen. Neu in die Prinzipien der Soziallehre eingefügt wurde die Regel der „Nachhaltigkeit“. Solidarität schließt nun also auch die Fürsorge für die kommenden Generationen ein.
Grundwerte, die sich aus diesen Prinzipen ableiten, sind für Pfarrer Borg-Manché zum Beispiel die „Freiheit des Einzelnen“, die erst dort enden darf, wo die Freiheit des anderen berührt wird. Damit wird nicht der „Beliebigkeit“ das Wort geredet. Aber Zwang kann nicht ethisch begründet werden. Zum anderen ist „Gerechtigkeit“ eine Zielsetzung. Ungerechtigkeit führt immer zu Unfrieden. Bei der Forderung nach Gerechtigkeit werden nach den Beziehungsebenen unterschieden: die „Tauschgerechtigkeit“, die „Verteilungs-gerechtigkeit“, die „gesetzliche Gerechtigkeit“.
Wichtig ist Pfarrer Borg-Manché, dass die Soziallehre nicht allein auf die Behebung sozialer Schieflagen im Augenblick, also „Caritas“, zielt; sie soll auch gerechtere Strukturen für die künftige Gesellschaft aufbauen helfen. Die Christen sollen den Politikern ruhig mit sozialen Forderungen auf die Nerven gehen. Die Zielvorstellungen müssen sein: Der Mensch hat Vorrang vor der Arbeit, die Arbeit hat Vorrang vor dem Kapital. Eigentum verpflichtet, es sozial-verträglich einzusetzen. Die Erdengüter unterliegen einer universalen Verteilungs-bestimmung. Die Wirtschaft muss dem Menschen dienen, wirtschaftliche Entschei-dungen müssen einer Option für die Armen folgen („Hilft es den Armen – oder nicht?“). Den jeweils Betroffenen gebührt ein Recht auf Mitbestimmung und Mitgestaltung. Ein Wahljahr sei ein guter Zeitpunkt, etwas ins Rollen zu bringen. Die Politiker haben begriffen, dass der Wähler sich nicht mehr umgarnen und hinters Licht führen lässt, versicherte Borg-Manché.
Impulse aus der Sozialethik der Kirche
Das Thema beim ersten Kirchencafé im März 2009 fand aus aktuellem Anlass erwar-tungsgemäß besonders großes Interesse. Veranstalter war das Dachauer Forum in Kooperation mit der KAB. Pfarrer Charles Borg-Manché, Diözesanpräses der KAB, hatte schon in seiner Predigt erschreckende Defizite in der gegenwärtigen sozialen Bilanz angesprochen. Mehr als die Hälfte aller Deutschen hat keinerlei Vermögen, dagegen verfügen die reichsten 10% der Bevölkerung über mehr als zwei Drittel des gesamten Volksvermögens. In unserer reichen Ge-sellschaft leben 2,5 Millionen Minderjähriger in Armut. Fast 7,5 Millionen Bürgerinnen und Bürger sind auf die mageren Leistungen des ALG II angewiesen, darunter gibt es 1,3 Millionen Arbeitnehmer, die von ihrer Erwerbstätigkeit nicht leben können, weil sie nur Hungerlöhne erhalten. Die Leihar-beitnehmer stehen ohne soziale Absiche-rung da; ihre Zahl hat sich innerhalb der letzten 15 Jahre versiebenfacht auf ca. 800.000 Beschäftigte. Die Politik begünstigt noch solche Fehlentwicklungen: Jeder Einkommensmillionär zahlt heute jährlich umgerechnet 100.000 Euro weniger Steuern als vor zehn Jahren.
Die katholische Soziallehre speist sich aus vier Quellen, nämlich
>> der Sozialbotschaft der Bibel
>> dem sozialen Handeln der Christen für Bedürftige und Ausgegrenzte aus dem Glauben heraus
>> der offiziellen Sozialverkündigung des kirchlichen Lehramts (Enzykliken, bischöfliche Hirtenbriefe)
>> der Reflexion des Handelns der Christen durch die theologische Gesellschaftsethik
>> dem sozialen Handeln der Christen für Bedürftige und Ausgegrenzte aus dem Glauben heraus
>> der offiziellen Sozialverkündigung des kirchlichen Lehramts (Enzykliken, bischöfliche Hirtenbriefe)
>> der Reflexion des Handelns der Christen durch die theologische Gesellschaftsethik
Die praktische Realisierung der Soziallehre folgt vier Prinzipien. Erste Leitlinie der Soziallehre muss immer „Personalität“ sein. Im Mittelpunkt steht der Mensch. Gott hat den Menschen nicht nur nach seinem Ebenbild geschaffen, sondern auch als das ihm, Gott, entsprechende Gegenüber. Vor Gott behält jeder Mensch seine Würde – egal, was er tut, was er leistet, wie er sich verhält. Der Wert des Menschen liegt in ihm selbst, nicht in seinem Besitz. Zweiter Grundsatz ist die „Subsidiarität“. Nicht mit Vorschriften vom Staat sollen die Menschen gegängelt werden. Der Staat, die Gesellschaft soll vor allem Hilfe zur Selbsthilfe geben. Der Grundsatz „Solidarität“ heißt: Wir sind als Menschen Töchter und Söhne Gottes und damit Schwestern und Brüder und haben Verantwortung füreinander. Die Gemeinschaft soll darauf hinarbeiten, den Einzelnen zur Eigenverantwortung zu befähigen. Neu in die Prinzipien der Soziallehre eingefügt wurde die Regel der „Nachhaltigkeit“. Solidarität schließt nun also auch die Fürsorge für die kommenden Generationen ein.
Grundwerte, die sich aus diesen Prinzipen ableiten, sind für Pfarrer Borg-Manché zum Beispiel die „Freiheit des Einzelnen“, die erst dort enden darf, wo die Freiheit des anderen berührt wird. Damit wird nicht der „Beliebigkeit“ das Wort geredet. Aber Zwang kann nicht ethisch begründet werden. Zum anderen ist „Gerechtigkeit“ eine Zielsetzung. Ungerechtigkeit führt immer zu Unfrieden. Bei der Forderung nach Gerechtigkeit werden nach den Beziehungsebenen unterschieden: die „Tauschgerechtigkeit“, die „Verteilungs-gerechtigkeit“, die „gesetzliche Gerechtigkeit“.
Wichtig ist Pfarrer Borg-Manché, dass die Soziallehre nicht allein auf die Behebung sozialer Schieflagen im Augenblick, also „Caritas“, zielt; sie soll auch gerechtere Strukturen für die künftige Gesellschaft aufbauen helfen. Die Christen sollen den Politikern ruhig mit sozialen Forderungen auf die Nerven gehen. Die Zielvorstellungen müssen sein: Der Mensch hat Vorrang vor der Arbeit, die Arbeit hat Vorrang vor dem Kapital. Eigentum verpflichtet, es sozial-verträglich einzusetzen. Die Erdengüter unterliegen einer universalen Verteilungs-bestimmung. Die Wirtschaft muss dem Menschen dienen, wirtschaftliche Entschei-dungen müssen einer Option für die Armen folgen („Hilft es den Armen – oder nicht?“). Den jeweils Betroffenen gebührt ein Recht auf Mitbestimmung und Mitgestaltung. Ein Wahljahr sei ein guter Zeitpunkt, etwas ins Rollen zu bringen. Die Politiker haben begriffen, dass der Wähler sich nicht mehr umgarnen und hinters Licht führen lässt, versicherte Borg-Manché.
D.R.