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Ökumenisches Abendgebet

Beim  > Ökumenischen Abendgebet nach Taizé <  in der Friedenskirche

Wer sich an einem Oktobersonntag zum ersten Mal in der Abenddämmerung der Friedenskirche nähert, mag zuerst glauben, er hätte sich wohl im Termin geirrt. Die Kirche liegt völlig im Dunkeln, und durch die Kirchenfenster schimmert kein Lichtschein nach draußen. Auf dem Steinfußboden neben der Eingangstür flackern zwei einsame Kerzen vor sich hin. Das wird den Zweifelnden immerhin ermutigen, die Klinke zaghaft herunterzudrücken. Sobald die Pforte geöffnet ist, empfängt und berührt den Eintretenden eine feierliche Stimmung. Zarte, wohlklingende Flötenmusik, begleitet von einer beschwingt-munteren Gitarre, erfüllt den Raum, und dieser ist in ein sanftes, warmes Licht getaucht durch die hundert Kerzen, die überall im Altarraum und in den Kirchenbänken aufgestellt sind.

Die Flötenklänge verstummen. Eine gedämpfte Stimme trägt mit beeindruckender Ruhe einen gedankenreichen Textabschnitt vor. Die Andacht hat begonnen. Die Liturgen treten stets nachdrücklich als Teil der versammelten Gemeinde auf, nicht als Höhergestellte und auch nicht im Talar. Ihr Gesicht ist nie der Zuhörerschaft zugewandt, sondern immer dem Altar und der Kreuz-Ikone. Sie lesen biblische, theologische und literarische Texte, wohl auch Auszüge aus älteren Briefen von Roger Schutz. Sie sprechen Fürbitten, und sie laden zur Stille ein. Diese Zeiten des Schweigens, des Innewerdens, des Meditierens, des stillen Betens, des Gott–näher–Kommens, des Suchens nach dem inneren Frieden dauern stets fünf Minuten oder sogar länger. Bei den Fürbitten darf jeder Anwesende (die meisten sind wohl der Generation der 20- bis 40-Jährigen zuzurechnen) auch die eigenen Anliegen laut aussprechen.

Taizekreuz-Ikone in der FriedenskircheAlle Lieder, mal begleitet am Klavier, die anderen Male von einer Gitarre oder einer Flöte unterstützt, weisen ausnahmslos dieselben charakteristischen Merkmale auf: Sie sind meist einstrophig. Die Strophe ist ziemlich kurz und entweder vierstimmig oder als Kanon zu singen. Die Texte basieren auf einer Bibelstelle und sind in Latein oder in den verschiedensten modernen Sprachen verfasst. Diese einzige Strophe wird jeweils mehrmals wiederholt. Viele Melodien gehen auf Kompositionen des Katholiken Jacques Berthier zurück, einige aber auch auf Sätze von Johann Sebastian Bach, Michael Praetorius, Melchior Franck und Johannes Petzold sowie auf Lieder des Jesuitenpaters Joseph Gelineau, von Schwester Suzanne Toolan und anderen. Berthier hatte erst seinen Bischof um Erlaubnis fragen müssen, denn vor 50 Jahren war es für einen Katholiken kaum denkbar, für die protestantische Liturgie zu komponieren. "Zögern Sie nicht, das ist sehr gut", erhielt er zur Antwort.

Bekannt geworden ist die Gemeinschaft von Taizé vor allem durch die in Taizé und in verschiedenen Kontinenten und vielen Ländern und Orten ausgerichteten ökumenischen Jugendtreffen. Allein nach Taizé kommen jährlich etwa 200.000 Besucher aller Nationalitäten und Konfessionen. Der Gründer und lebenslange Prior der Gemeinschaft Roger Schutz trug maßgeblich zu der heutigen Popularität bei. Am 16. August 2005 wurde Frère Schutz während des Abendgebetes in Taizé von einer psychisch kranken Frau mit einem Messer so schwer verletzt, dass er wenig später seinen Verletzungen erlag.

Zu den Zielen der Communauté gehört heute die Unterstützung einer mittlerweile weltweiten Jugendbewegung, die sich der Bergpredigt des Jesus von Nazareth in besonderer Weise verpflichtet fühlt. Bei dem sogenannten "Pilgerweg des Vertrauens auf der Erde" spielen Themen wie Nächstenliebe, Feindesliebe, Pazifismus und Versöhnung für die Anhänger von Taizé eine zentrale Rolle. Dabei werden gemeinsames Beten, Nachdenken über praktische Umsetzungsmöglichkeiten der Bergpredigt bis hin zu politischem Engagement auf unkomplizierte Weise miteinander verbunden. Dieser Weg hat nicht die Gestalt einer fest organisierten Bewegung; vielmehr werden Jugendliche dazu aufgerufen, sich in ihrem Alltag für Frieden, Versöhnung in der Kirche und Vertrauen auf der Erde zu engagieren.

Die „Ökumenischen Abendgebete nach Taizé“ finden in der Dachauer Friedenskirche jeden Sonntag von Oktober bis kurz vor Ostern um 19.00 Uhr statt.