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PFARREI MARIÄ HIMMELFAHRT DACHAU - mh-dachau.de
Quelle: http://mh-dachau.de/index.php?page=564&printview=1

„Schöne Worte sind zu wenig“

Dreißig Jahre Nachbarschaftshilfe Mariä Himmelfahrt

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Wenn in unserer schnelllebigen Zeit etwas dreißig Jahre überdauert, dann darf wirklich gefeiert werden! Auch wenn von den Gründungsmitgliedern nicht mehr viele dabei sind – einige sind verstorben, andere im Lauf der Jahre dazu gestoßen – so hat doch der Nachbarschaftshilfekreis dreißig Jahre lang kontinuierlich dafür gesorgt, dass Menschen Unterstützung bekamen, die es brauchten: ohne bürokratischen Aufwand, ohne Kosten für die Betroffenen. Ich habe Frau Enzmann interviewt, die von Anfang an dabei war und uns erzählen kann, wie es begann und sich im Lauf der Jahre entwickelte.

(Die ersten beiden Fotos zeigen die Feier zum 30-jährigen Bestehen im Juli 2010. Jeweils links, stehend: Herr Ludwig Schmid, der den Kreis der Nachbarschaftshilfe seit vielen Jahren leitet.)

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Frage: Frau Enzmann, wie kam es zur Gründung des Nachbarschaftshilfekreises?

Fr. E.: Im April 1980 wurde in Dachau eine Gemeindemission durchgeführt. Patres der Steyler Missionare hielten Predigten zu verschiedenen Themen. Unter anderem war dabei ein Aufruf zur tätigen Nächstenliebe. Das war der Anstoß, die Nachbarschaftshilfe zu gründen.

Frage: Wer hat das Ganze damals in die Hand genommen?

Fr. E.: Schwester Kathi Lechner von der Caritas-Sozialstation hat einen Aufruf gestartet: „Schöne Worte sind zu wenig“. Damit wurden Mitglieder geworben.

Frage: Wie viele sind diesem Aufruf gefolgt?

Fr. E.: Zum ersten Treffen am 29. April 1980 sind 15 Frauen gekommen. Wir haben uns im Turmzimmer getroffen. Etwa 12 Frauen sind dann dabeigeblieben, davon einige evangelische.

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(Bei Bedarf stand der Nachbarschaftshilfe Mariä Himmelfahrt zu jeder Zeit professionelle Beratung und Unterstützung zur Verfügung, z.B. durch die Caritas-Sozialstation oder durch die hauptamtlichen Mitarbeiter der Pfarrei. 2 Fotos oben: Herr Diakon Albert Wenning im Jahr 1983. 2 Fotos unten: Schwester Kathi Lechner in Aktion. 3 Fotos weiter unten: Pflege auf Zeit im Pfarrheim. Schwester Kathi Lechner von der Caritas-Sozialstation motivierte die freiwilligen Helferinnen mit ihrem ansteckenden Elan.)

Schwester Kathi LechnerSchwester Kathi Lechner

























Frage: Wie begann die Arbeit?

Fr. E.: Zunächst sagte jeder, wie viel Zeit er einbringen wollte. Ich fing z. B. an mit 14-tägig einen Vormittag. Schwester Kathi schrieb das auf, und so bekam jeder zugeteilt, was er leisten konnte.

Frage: War die Nachfrage von Anfang an groß?

Fr. E.: Ja, wir hatten immer viel zu tun. Durch die Zusammenarbeit mit der Sozialstation kamen die Fälle zu uns. Manche Einsätze waren kurz, aber zeitaufwändig. Da war eine Mutter vier Wochen im Krankenhaus, und die Helferin hat täglich das Kind vom Kindergarten abgeholt und betreut, bis der Vater von der Arbeit kam. Andere Einsätze dauerten über viele Jahre. Ich habe 13 Jahre lang einmal wöchentlich eine MS-kranke Frau begleitet. Das war eine Entlastung für ihren Mann, der dann einmal außer Haus gehen konnte.

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Frage: An was erinnern Sie sich besonders gerne?

Fr. E.: Gleich am Anfang haben wir mit Pfarrer Kölbl einen Tischgottesdienst gefeiert bei Schwester Kathi in der Wohnung. Die Pfarrersköchin war sehr misstrauisch, weil sie so etwas nicht kannte, und war sehr gegen diesen Gottesdienst. Für uns war es ein intensives Erlebnis, das eine gute Gemeinschaft entstehen ließ. Ganz wichtig waren mir auch unsere Treffen alle sechs Wochen. Es war für jeden notwendig, sich aussprechen zu können, da manche Einsätze belastend waren. Wegen der Schweigepflicht konnte man woanders nicht reden. Die Treffen fanden in einer ernsthaften Atmosphäre statt. In den ersten Jahren begleiteten uns dabei Schwester Kathi und Herr Wenning.

Frage: In unserem Pfarrheim wurde „Pflege auf Zeit“ durchgeführt. Die Nachbarschaftshilfe hat da mitgeholfen. Können Sie uns davon etwas erzählen?

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Fr. E.: „Pflege auf Zeit“ kannte man damals noch gar nicht. Das war das erste Angebot in ganz Deutschland, sodass darüber im Fernsehen berichtet wurde. 1981 und 1983 wurde jeweils zwei mal drei Wochen „Pflege auf Zeit“ angeboten. Schwester Kathi und Diakon Königer haben das durchgeführt, weil ihnen wichtig war, dass pflegende Angehörige einmal ausspannen können. Dafür wurde der Pfarrsaal mit Stellwänden in Krankenzimmer unterteilt, ein Bad wurde eingerichtet. Nur das warme Essen kam vom Altenheim, alles andere musste vor Ort hergerichtet werden. Dabei hat die Nachbarschaftshilfe tatkräftig mitgeholfen.

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Frage: Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen! Gab und gibt es auch Männer im Nachbarschaftshilfekreis?

Fr. E.: Ja, im Lauf der Zeit kamen auch Männer dazu. Das war wertvoll für die Betreuung von Männern. Aber es waren nie viele männliche Helfer.

(Einsatzbesprechung. Links der langjährige Leiter der Nachbarschaftshilfe Ludwig Schmid.)

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Frage: Wo hat sich der Kreis sonst noch engagiert?

Fr. E.: Ein Schwerpunkt der Arbeit sind die Krankengottesdienste. 1982 wurde der erste angeboten. Pfarrer Kölbl war skeptisch: „Wer wird da schon kommen?“ Beim ersten Krankengottesdienst waren es nur 36 Besucher. Dann wurden diese Gottesdienste sehr beliebt, und es kamen immer mehr Teilnehmer. Zweimal im Jahr finden die Krankengottesdienste statt, im Advent und in der Fastenzeit. Eine Zeit lang gab es zusätzlich einen ökumenischen Sommergottesdienst. Wir kümmern uns um die Einladungen, backen Kuchen, dekorieren die Tische und betreuen die Besucher.

Frage: Die Mitglieder der Nachbarschaftshilfe bringen großen Einsatz, ohne dafür auf irgendeine Weise bezahlt zu werden?

Fr. E. Wir erhalten kein Geld, wir arbeiten ehrenamtlich. Aber wir geben nicht nur, wir bekommen auch viel zurück, das die Mühe lohnt. Und wenn es nur ein dankbares Lächeln ist oder wir spüren, wie sehr sich der Besuchte über unser Kommen freut.

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(2 Fotos oben: Krankengottesdienst in früheren Jahren - hier mit Pfarrer Reinhold Langenberger - und der Transport von Altenheimbewohnern dorthin. Unten: Krankengottesdienst im April 2010 mit Kaplan Augustin Atamanyuk. Bitte achten Sie auch auf die mit viele Liebe zum Detail gestaltete Tischdekoration.)

Frage: Durch die Sozialdienste und dadurch, dass mehr Menschen in Altenheimen leben, ist die Nachfrage nach der „klassischen“ Nachbarschaftshilfe nicht mehr so groß. Was hat sich da für Ihre Arbeit verändert?

Fr. E.: Es gibt immer noch Fälle, wo Nachbarschaftshilfe gebraucht wird. Vieles kann keine Sozialhilfe leisten, wie einkaufen gehen oder einfach da sein für einen Menschen. Aber es gibt nicht mehr so viele Nachfragen. Einige von uns machen deshalb jetzt Besuchsdienst im Altenheim, was auch sehr notwendig ist. Andere helfen nur noch beim Krankengottesdienst oder haben die Arbeit aus Altersgründen ganz niedergelegt.

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Frage: Vielen Dank, Frau Enzmann für diesen interessanten Rückblick auf dreißig Jahre Nachbarschaftshilfe. Damals waren viele Frauen nicht berufstätig, sodass dieser Einsatz leichter möglich war. Ich frage mich: Was wird, wenn die jetzt langsam in die Jahre gekommenen Helfer/innen selber solche Hilfe brauchen?

Fr. E.: Da könnten wir rüstige Rentner brauchen oder andere, die etwas Zeit übrig haben, die sich ansprechen lassen von dem Satz „Schöne Worte sind zu wenig“, die sich zusammenfinden, um nachbarschaftlich zu helfen.
 
Interessierte dürfen sich gerne bei mir melden.
Karin Heimann, Pastoralreferentin
 
 
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(Letztes Foto in dieser Serie: Gruppenbild bei der 30-Jahr-Feier im Juli 2010. Die Fotos wurden uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt u.a. von Sr. Kathi Lechner, Frau Enzmann und Familie Kuchler. Herzlichen Dank!)
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